Industrieunternehmen verkaufen nicht einfach nur Produkte, sondern brauchen eine Vision, die lebt und motiviert.
1. Was ist eine Vision?
Eine Vision ist ein Zukunftsbild, das Begeisterung auslöst.
Was eine Vision nicht ist: Die errechnete Wahrscheinlichkeit für eine mögliche Zukunft. Das mögen manche Zukunftsforscher anders sehen, aber ich möchte hier deutlich dafür plädieren, dass eine Vision etwas sein muss, was uns mit Lust und Motivation in die Zukunft schauen lässt, was in uns Mut und Kreativität weckt, die Welt von morgen aktiv zu gestalten.
Ein solches Zukunftsbild ist der Nordstern, an dem sich alle Mitarbeitenden und alle Aktivitäten einer Organisation ausrichten. Sie ist groß genug, dass sich jede*r darin wiederfinden kann. Gleichzeitig ist sie so groß, dass sie nie vollständig erreicht werden kann und darum immer vor allem eins weckt: Sehnsucht nach einer besseren Welt und den Wunsch, diese mitzugestalten.
Beispiele:
- DEUTSCHE POST DHL: “Connecting people, improving lives”
- HILTON Hotels: „To fill the earth with the light and warmth of hospitality.”
- HOCHTIEF: “HOCHTIEF baut die Welt von morgen.”
- IKEA: “Den vielen Menschen einen besseren Alltag schaffen.”
- BAYER AG: “Health for all, Hunger for none.”
2. Was unterscheidet eine Vision von einer Mission?
Im Gegensatz zur Vision, die beschreibt, wie die Welt aussieht, wenn „alles gut“ ist und Sehnsucht weckt, beschreibt die Mission einer Organisation den Auftrag in der aktuellen Welt und nimmt dabei Bezug auf die Hindernisse und Gegner, die sich der Organisation auf dem Weg zur Vision in den Weg stellen. Sie weckt Motivation, den Kampf gegen diese Hindernisse und Gegner aufzunehmen.
3. Warum ist ein Zukunftsbild wichtig?
Helmut Schmidt wird das Zitat zugeschrieben „Wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen!“, und für manch einen ist das V‑Wort immer noch etwas, um das einen großen Bogen gemacht wird. Die Realität in vielen Unternehmen heute zeigt jedoch: Wer keine Visionen hat, keine lebendige Sehnsucht-weckende Vorstellung von der Zukunft, sollte keine Führungsverantwortung bekommen – denn wie soll er oder sie Menschen motivieren, führen, und vor allem: wohin?
In meinen Workshops zitiere ich hier gerne aus Alice im Wunderland:
Alice im Wunderland zur Grinsekatze: “Würdest Du mir bitte sagen, welchen Weg ich einschlagen muß?”
“Das hängt in beträchtlichem Maße davon ab, wohin du gehen willst”, antwortete die Katze.
“Oh, das ist mir ziemlich gleichgültig”, sagte Alice.
“Dann ist es auch einerlei, welchen Weg du einschlägst”, meinte die Katze.
Wenn man ein Unternehmen sein möchte, das mehr tut als Fließbandarbeit, stupides Reagieren und Abarbeiten vom Tagesgeschäft ist eine Vision unerlässlich. Sie öffnet den Blick von Jede*m auf die Zukunft, auf das, was möglich ist, und motiviert zum eigenständigen, lösungsorientierten und kreativen Handeln.
Eine Vision ermöglicht einem Unternehmen, eine Richtung einzuschlagen und dies gemeinsam zu tun. Sie ist größer als eine Person, vielleicht sogar als der „heilige“ Gründer bzw. lebt weit über ihn hinaus. Und sie ermöglicht allen, Teil einer Bewegung zu werden, Teil von einer größeren Mission zu werden.
Die Notwendigkeit einer Vision, eines lebendigen Zukunftsbildes, anerkennt den Menschen als ein kreatives Wesen mit Fantasie und Vorstellungskraft und einem Hunger, dies in seiner/ihrer Arbeit ausleben zu können.
Fakt ist: fast alle Unternehmen haben eine Vision, sie haben sie nur nicht formuliert!
4. Wie finden mittelständische Industrieunternehmen ihre Vision?
Ich bin davon überzeugt, dass eine Vision nicht etwas ist, was man mit Zahlen berechnen und „festnageln“ kann, sondern etwas Kreatives, Intuitives.
Zwar schlagen manche Berater*innen und Zukunftsforscher*innen einen komplexen, langen, teuren Prozess vor, der für viele Mittelständker nicht nur finanziell utopisch ist, sondern auch mit komplizierten Berechnungen verbunden. Damit suggerieren sie zwar Planungssicherheit, aber was dabei herauskommt ist anfällig für externe Schocks, von denen wir in den letzten Jahren schon genug erlebt haben, um zu wissen: Die Zukunft lässt sich nicht berechnen.
Darum arbeite ich in meinen Workshops mit Methoden, die mit Hilfe von kreativen Fragen und Methoden das intuitive Wissen und die intuitiven Motivationen in Worte und Sätze übersetzen, aus denen sich ein gemeinsames Zukunftsbild der Organisation ergibt. Dabei ist jeder Beitrag wichtig – wie bei einem Puzzle, das vollständiger wird, je mehr Puzzleteile auf dem Tisch kommen.
Wichtig dabei ist, dass sich alle Personen (die/der Gründer/in!) sich darauf einlassen, dass die Vision des Unternehmens nicht „meins“ und auch nicht etwas statisches ist, sondern von vielen Personen der Firma verantwortet und mit Leben gefüllt werden kann und muss. Das Zukunftsbild kann sogar größer, breiter, weiter als das eigene oder ursprüngliche Zukunftsbild werden – und das ist gut so!
5. Welche Kraft hat eine Vision?
Eine lebendige und gut formulierte Vision entwickelt eine enorme Kraft. Zunächst ist da der Spiegeleffekt, der meistens schon im Workshop eintritt: „Genau das treibt mich an, aber ich konnte es noch nie so gut formulieren. Das bringt es auf den Punkt!“ Die eigene Vision gespiegelt zu bekommen, motiviert von Neuem!
Der zweite Effekt betrifft die Energie, die in der Gruppe entsteht, wenn nach und nach allen klar wird: Wir reden ja eigentlich von der gleichen Sache, nur mit unterschiedlichen Worten. Manchmal können in einem Workshop jahrelange Missverständnisse ausgeräumt werden. Die Kraft der Einheit, gemeinsam eine Vision zu verfolgen, ist enorm.
Dritter Effekt ist die Klarheit, die eintritt, wenn ein Zukunftsbild erarbeitet wurde. Alle wissen, in welche Richtung es geht. Auch hier werden Unklarheiten und Missverständnisse aus dem Weg geräumt.
Ganz selbstverständlich entsteht nach der erfolgreichen Erarbeitung einer Vision die Frage: „Und wie kommen wir da jetzt hin?“ Was uns direkt zur Strategie bringt.
6. Strategie muss auf eine Vision aufbauen!
Ohne Vision fehlt die Basis für eine kräftige Mission, für eine Positionierung, für eine Formulierung der Strategischen Ziele. Mit einer kraftvollen Vision steht dem nichts mehr im Wege!